Seit Publikation des "diabetes complication control trial" (DCCT, 1993) stehen zur Behandlung des Typ 1 Diabetes mellitus nur noch zwei Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung:
Die intensiviert konventionelle Therapie (ICT) oder die Insulinpumpentherapie (kontinuierliche subcutane Insulininfusion, CSII). Studien belegen, dass mit beiden Therapiearten eine vergleichbar gute Einstellung des Diabetes möglich ist. Die oben erwähnte DCCT untersuchte den Einfluss einer konventionellen Therapie (CT, 2-Spritzen) bzw. einer intensiviert konventionellen Therapie (ICT, 4-Spritzen) bei neu erkrankten Typ 1-Diabetikern auf Qualität der Stoffwechselregulation und Entwicklung diabetischer Folgeschäden: es zeigte sich eine deutliche Überlegenheit der ICT!
ICT - Intensiviert konventionelle Therapie
Die ICT beinhaltet zwei verschiedene Insulintypen, ein Verzögerungsinsulin zur Abdeckung des Grundbedarfs und ein schnell wirksames Insulin zur Abdeckung der Mahlzeiten. Das Insulin wird heutzutage in der Regel mit Hilfe einer Spritzhilfe (Pen) in das Unterhautfettgewebe gespritzt. Als Spritzareale werden Bauch und Oberschenkel empfohlen. Mittlerweile ist die ICT die Standardtherapie des Diabetes mellitus Typ 1.
CSII - Kontunierliche subcutane Insulininfusion (Insulimpumpentherapie)
Die CSII beinhaltet ausschließlich ein schnell wirksames Insulin. Hiermit können Grundbedarf und Mahlzeiten abgedeckt werden. Die Insulinampulle wird in die Pumpe eingesetzt. Hiermit verbunden wird ein Plastikschlauch mit einer Nadel am Ende (Katheter), die in das Unterhautfettgewebe gestochen wird. Alternative ist eine schlauchlose, sogenannte Patch-Pumpe, die auf die Haut aufgeklebt wird und direkt das Insulin ins Gewebe abgibt. Ein Motor in der Pumpe ermöglicht eine kontinuierliche Insulinabgabe, die Mengenabgabe pro Zeiteinheit kann in der Pumpe programmiert werden (Basalrate). Vor dem Essen von Kohlendraten kann auf Knopfdruck eine bestimmte Menge an Insulin abgerufen werden (Bolus). Die CSII kann nach einem Gutachten des behandelnden Diabetologen bei den Krankenkassen beantragt werden.
- Vorteile
- Beste Nachahmung der natürlichen Insulinversorgung
- Keine Insulinlücken
- Größere Flexibilität (Essenszeiten, Sport, Zeitverschiebung)
- Keine mehrmals täglichen Injektionen
- direkte Kommunikation bei gleichzeitiger Verwendung mit dem rtCGM
- Nachteile:
- Größere Gefahr der Stoffwechselentgleisung durch fehlendes Verzögerungsinsulin
- Gefühlte und sichtbare Abhängigkeit von der Pumpe
- Dauerhafter Fremdkörper im Unterhautfettgewebe
- Erhöhte Infektionsgefahr im Einstichbereich (Abzessbildung)
- Allergische Reaktionen auf Katheter oder Pflaster
- Technisches Versagen der Pumpe
- Anspruchsvolles Management und Fehlermanagement
Voraussetzungen:
- Eine Pumpentherapie ist anspruchsvoll, konstenintensiv und setzt ein gewisses technisches Grundverständnis voraus. Früher war die mindestens 4x tägliche Blutzuckerselbstkontrolle und Dokumentation Grundvoraussetzung, diese wurde von der Verwendung eines rtCGM-Gerätes abgelöst. Der regelmäßige Kontakt mit einem spezialisierten Zentrum ist ein Muss. Voraussetzung ist die Teilnahme an einer individuellen Schulung im Umgang mit Therapie und dem Fehlermanagement.
- Grundsätzlich wird die Um- bzw. Einstellung auf eine Pumpentherapie von den Krankenkassen nur genehmigt, wenn mit dieser eine Verbesserung der bestehenden Glukoseeinstellung nachgewiesen werden kann.
AID-System
Ein AID-System (Automatisierte Insulin-Dosierung) besteht aus drei Komponenten: einem System zur kontinuierlichen Glukosemessung (rtCGM), siehe auch unter "Messung des Zuckers in Blut oder Gewebe", einem Algorithmus, der auf den Glukosewerten basierend Insulindosierungen berechnet, und einer Insulinpumpe, die die Insulindosis dann automatisch abgibt.
Die Möglichkeiten der Kombination des rtCGM mit einer Insulinpumpe im Sinne eines Hybrid-AID- oder auch womöglich bald im Sinne eines Full-AID-Systems sind vielversprechend, auch wenn hier noch einige Hürden zu nehmen sein dürften. Hier drängen immer mehr Produkte auf den Markt, deren Qualität zu beurteilen für uns nicht ganz einfach sein wird. Klinische Erfahrungen zeigen eine deutlich verbesserte insbesondere nächtliche Glukoseregulation, bessere HbA1c-Werte, weniger Hypoglykämien, mehr Zeit im Zielbereich (TIR) sowie geringere Schwankungen im Tagesverlauf. Allerdings ist der Schulungsaufwand enorm und erfordert ein höchstes Maß an Expertise des Diabetesteams. In aller Regel wird die Beurteilung der Kostenübernahme der Umstellung auf ein AID-System von den GKV an den MD weitergeleitet.
Die American Diabetes Association (ADA) empfiehlt den frühzeitigen Einsatz von rtCGM- und AID-Systemen direkt bei der Diagnose des Diabetes mellitus Typ 1, um die Glukoseregulation zu stabilisieren und die Lebensqualität zu erhöhen. Grundsätzlich werden von ihr AID-Systeme für alle Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 empfohlen. Dabei spielt die Schulung im Umgang mit der Technologie eine große Rolle. Nach Empfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence (Nice) sollten alle Menschen mit Typ 1 Diabetes mit einem HbA1c größer 7,5 % die Möglichkeit bekommen, ein AID-System zu verwenden, dessen Verwendung wohl kosteneffizient zu sein scheint.